In seinem Debütroman erzählt der französische Autor die Geschichte von Guylain Vignolles. Einem Mann voller Eigenheiten am Rande der Gesellschaft. Schon in seiner Kindheit hatte er es schwer, denn wenn man bei seinem Namen nur zwei Silben vertauscht, ergibt das Vilain Guignol, was so viel bedeutet wie „dummer Kasper“. Deswegen ist es ihm am liebsten, unsichtbar zu sein und schnell vergessen zu werden. Seine besten Freunde sind sein Goldfisch, ein ehemaliger Kollege, der einen ungewöhnlichen Sammelzwang hat und der Wachmann Yvon Grimbert, der nur in Versen spricht.
Außerdem hasst Guylain seine Arbeit. Jeden Tag wird er aufs Neue gezwungen, die Bestie zu füttern oder auch Zerstör 500. Sein ganz persönliches Monster, denn alles was es tut, ist das Schreddern und Zerstören von Büchern.
Sein einziger Lichtblick jeden Tag ist das Vorlesen im 6-Uhr-27-Zug, um ein paar einsamen geretteten Blättern wieder Leben einzuhauchen. Der monotone, graue Alltag des Vorlesers endet jedoch an dem Tag, als er in genau diesem Zug einen roten USB-Stick findet. Auf diesem entdeckt er das Tagebuch einer ganz besonderen Frau und beschließt, sich auf die Suche nach ihr zu machen. Dabei findet er sich auf einer Reise zu sich selbst und den schönen Seiten des Lebens wieder.
Jean-Paul Didierlaurent hat wirklich liebenswerte, skurrile Charaktere geschaffen, die zu kleinen Helden ihres tristen und monotonen Lebens werden. In einem deprimierenden Alltag und beruflicher Unzufriedenheit wie der von Guylain Vignolles festzustecken, kennen leider viele. Der Autor zeigt Seite um Seite, wie Guylain die vielen kleinen bunten, schönen Farben des Lebens wiederentdeckt. Das Ganze verpackt er mit einer guten Portion Humor und teilweise schon fast poetischen Passagen.
Was ich auch noch erwähnen möchte, ist die liebevolle Seitengestaltung, bei der sich Hintergrund, Schriftart und Schriftfarbe immer wieder abwechseln, passend zu dem, was Guylain liest.
Wer wie ich außergewöhnliche Geschichten und schräge Figuren mag, aber trotzdem etwas Leichtes zum Entspannen sucht, dem kann ich „Die Sehnsucht des Vorlesers“ auf jeden Fall nur empfehlen.